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Die Schmetterlingsfrau   |   Marion Taube

..... Ingrid Kreytenbergs Bilder zu sehen, ist wie guten Worten zu lauschen. Würden die Augen nicht unbedingt weiter schauen wollen, ließen sich die Lider bereits nach kurzer Zeit schließen – allein, um dem Klangspektrum der Farben nachzuhorchen. Ihren Bildern kann man sich offensichtlich blind anvertrauen. Was löst diesen sinnlichen Widerhall in uns aus? Können Farben klingen? Die Künstlerin selbst würde das unbedingt bejahen. Wir behaupten, dass ihre Farben auch erzählen können. Geschichten, die tief in uns gründen und aufsteigen, wenn der Blick sich in Ingrid Kreytenbergs Farbwelten senken darf.
In der Betrachtung ihrer Bilder kehrt sich der ursprüngliche Malvorgang in der Durchdringung des Werkes um. Das, was die Künstlerin in raumgreifenden Gesten Schicht für Schicht an Farbe übereinander legt, quastet, streicht und verreibt, tritt uns in der ersten Begegnung als die Einheit eines fertiges Tafelbildes entgegen. Doch der vermeintlich letzte Firnisüberzug beginnt sich alsbald aufzulösen. Das zweidimensional anmutende Schichtenmodell, mit dem Ingrid Kreytenberg uns in jeder ihrer Arbeiten konfrontiert, weitet sich bei näherem Hinschauen beständig auf. Gleich einer unwiderstehlichen Einladung zieht es uns tiefer hinein in einen weiten und unbekannten Raum, gespickt mit diffusen Lichtkabinetten und glimmenden Dunkelkammern. Der Erkenntnisprozess beginnt beim Durchmessen, beim rückwärtigen Durchdringen der farbgesättigten Leinwand, geschuldet einem Impuls der Neugier, aber auch der Ahnung unverbrauchter Augenblicke  .....  [
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